Unter Freunden: Jörg Bernig – Gelassenheit und Zorn
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Es wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit, wenn Jörg Bernig seine empfindsame Lyrik vorstellt, die mit mehreren bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Er erzählt, dass er schon früh von den Gedichten von Heine, Novalis, Hölderlin und Gryphius verzaubert und auch der ausladenden Prosa von Stifter verfallen war, weil da weite Räume aufgemacht werden, in denen die Uhren anders ticken. Doch er wurde nicht in Ruhe gelassen. Rückzugsräume, die frei sind von den „Zumutungen der Gegenwart“, wurden in der DDR nicht geduldet. Da wurde an jedem Ort und zu jeder Zeit ein Bekenntnis zu den Fortschritten des Sozialismus verlangt.
Eine ähnliche Aufdringlichkeit erlebt Jörg Bernig heutzutage wieder, so dass er sich gezwungen sah, sich in einem „Akt der Notwehr“ mit einem Text, der „Zorn“ hieß, in die Politik einzumischen. Soeben ist unter dem Titel „Habe Mut“, der die berühmte Formel von Immanuel Kant aufgreift, eine aktuelle Sammlung seiner Essays erschienen. Jörg Bernig hat beide Seiten: Er ist ein Poet, der etwas von einem zornigen jungen Mann hat und der sich zugleich an alten Männern orientiert, die mit Gelassenheit und stoischer Unaufgeregtheit auf die Welt geblickt haben. Bernd Zellner spricht von „Weltliteratur aus Radebeul“. Damit ist nicht Karl May gemeint, sondern Jörg Bernig.
Dass wir uns gegenwärtig in einer „DDR 2.0“ befinden oder uns darauf zubewegen, ist unter Oppositionellen kaum noch umstritten. Dadurch ist auch Heinrich Heine wieder brandaktuell – jener Dichter, der sich ins Exil begab, weil er die politischen Zustände in seinem geliebten Vaterland nicht mehr ertragen konnte; der sich mit den Lügen und der Scheinheiligkei t der Herrschenden ebenso auseinandersetz te wie mit der Duldsamkeit und dem Illusionismus seiner deutschen Landsleute; der Opfer von Metternichs Zensur und „Demagogen verfolgung“ wurde, gegen die mit Geist und Witz nichts auszurichten war.
Die Frage ist nur, ob es heute noch ein Publikum gibt, das diese Dichtung angemessen zu rezipieren weiß.
war, und weiter gehen wollte, hörte er plötzlich Stimmen. Es war ein Gesang so klar und
schmetternd wie von Lerchen. Es waren aber nicht Lerchenstimmen, sondern Menschen-
stimmen, Mädchenstimm en. Sie sangen jenes Lied ohne Worte, in welchem im Walde und
in Bergen das Herz sich in allerlei Schwingungen der Stimme, im Stürzen und Heben der-
selben, im Wandeln und Beiben ausspricht. Es waren zwei Stimen, die im Vereine und in
Verschlingungen klangen. Sie erklangen, hoben sich, senkten sich, trennten sich, neckten
sich, schmollten und jubelten. Es war die Lust und Freude, die sie tönten."
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